Volkstrauertag in Nindorf
Friedensapell und Kranzniederlegung in Nindorf
Bürgermeister Jörn Wieben:
Liebe Nindorferinnen und Nindorfer,
ich freue mich sehr, dass heute so viele Menschen den Weg zu unserem
Ehrenmal gefunden haben, um an der Gedenkfeier zum Volkstrauertag 2025
teilzunehmen.
Ebenso freue ich mich, dass unsere freiwillige Feuerwehr gemeinsam mit
der Kyffhäuser-Kameradschaft und unserem Musikzug sich wieder bereit
erklärt haben, dieser Gedenkfeier durch ihre Abordnungen einen feierlichen
Rahmen zu verleihen.
In heutigen Zeiten ist dieses Engagement lange nicht mehr
selbstverständlich und unterstreicht die gelebte Gemeinschaft unseres
aktiven Dorfes. Dafür bin ich sehr dankbar.
„Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den Frieden nichts“, sagte
Bundeskanzler Willy Brandt am 03.11.1981.
Dieser Satz bedeutet, dass Frieden nicht die einzige menschliche Priorität
ist, aber die unabdingbare Grundvoraussetzung dafür, dass Dinge wie
Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand überhaupt möglich sind.
Wie wir feststellen, hat die Aussage dieses Satzes auch heute nichts an
seiner Bedeutung und Strahlkraft verloren.
Wir sind heute mit unzähligen Menschen in unserem Land vereint, die der
Opfer von Krieg und Gewalt gedenken und denen unser demokratisches
Gemeinwesen am Herzen liegt.
Es ist unsere historische Aufgabe, mit aller Kraft an einem Europa des
Friedens und der Freiheit weiter zu arbeiten. Die Länder Europas sind in
einer Wertgemeinschaft vereint, dessen Fundament ein gemeinsames
Verständnis von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten ist.
Angesichts der großen geopolitischen Veränderungen auf der Welt,
angesichts der verheerenden Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten,
müssen wir zusammenstehen, um uns den Herausforderungen zu stellen,
vor denen unser Kontinent sich befindet.
Die russische Invasion in der Ukraine, der damit einhergehende Bruch des
Völkerrechts, bedroht den Frieden in ganz Europa, erschüttert die
Grundfeste der Weltordnung und verursacht unermessliches menschliches
Leid.
Dieser Krieg erinnert an die dunkelsten Kapitel der europäischen und auch
der deutschen Geschichte. Hinzu kommt die Entwicklung im Nahen Osten
mit den schrecklichen Angriffen der Hamas auf friedlich feiernde Menschen
und den daraus entstandenen Krieg. Wann diese schrecklichen Kriege
endlich enden, weiß niemand zu prognostizieren.
Es muss jedoch so schnell wie möglich alles dafür getan werden, dass dieser
Wahnsinn endlich aufhört.
Blicken wir auf die jüngere deutsche Geschichte, auf die beiden Weltkriege,
die nicht aussprechbares Leid verursachten.
Noch immer – nun 80 Jahre nach Kriegsende – werden in Osteuropa
sterbliche Überreste deutscher Soldaten geborgen und umgebettet. Es sind
gerade diese Toten, die als stumme Zeugen unerbittlich zum Frieden
mahnen. Es ist richtig, wenn wir uns am Volkstrauertag den Preis des
Krieges bewusst machen. Krieg zerstört umfassend. Er verwandelt
Lebendige in Tote und hinterlässt in unzähligen Überlebenden gebrochene
Seelen.
Über 100 Jahre sind seit dem Ende des ersten Weltkrieges, 80 Jahre seit
dem Ende des 2. Weltkrieges vergangen.
Was wir uns in all den zurückliegenden Jahrzehnten ins Gedächtnis gerufen
haben, sehen wir nun wieder Tag für Tag in den Nachrichten oder erfahren
es auch durch die Erzählungen betroffener Menschen:
Die ungeheure Zerstörungskraft industriell geführter Kriege, mit der
Blindheit, dem Hass und der Gewalt, die aus nationalpolitischem Wahnsinn
und ideologischer Verblendung erwachsen, mit Massenmorden, mit Tod von
Kriegsgefangenen, durch unmenschliche Behandlung, Hunger und
Seuchen, mit der massenhaften Vergewaltigung von Frauen, mit der
Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen aus ihrer Heimat und mit dem
Versuch neuer Grenzziehungen.
Es war und ist unsere Hoffnung, dass die Erinnerung an das unvorstellbare
Leid der Kriege, Menschen und Nationen den Ausweg in einem friedlichen
Zusammenleben der Völker suchen lässt. So, wie es gelang, die europäische
Einigung zum großen Friedensprojekt unseres Kontinents zu machen.
Und wir hoffen weiter, dass die Würde eines jeden einzelnen Menschen
unser Denken und Handeln prägen möge und nicht der Kult des Terrors,
nicht die Ideologie einer angeblich unfehlbaren Weltanschauung oder
Religion.
Wir hoffen, dass Soldatenfriedhöfe, wie Albert Schweitzer eins sagte,
endlich die großen Prediger des Friedens sein mögen.
Wenn wir heute in Nindorf an unserem Ehrenmal stehen, dann auch, um uns
unserer eigenen Geschichte und Verantwortung zu vergewissern – eine
Verantwortung für Frieden, Freiheit und Demokratie.
Und ich meine, das Gedenken an unsere eigene Geschichte gibt auch Anlass
zur Hoffnung. Wir durften erleben, wie aus der Tragödie des europäischen
Kontinents der Einigungswille europäischer Völker hervorgegangen ist und
der Wille zum Aufbau demokratischer Gesellschaften gesiegt hat.
Diesen Neubeginn in Freiheit und Demokratie vor Augen muss jeder von
uns als persönliche Verantwortung verstehen.
Auch unser Einsatz für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit wird entscheiden,
welchen Weg die europäischen Völker in Zukunft gehen.
Liebe Nindorferinnen und Nindorfer, wir denken heute an die Opfer von
Gewalt und Krieg, an Kinder, Frauen und Männer aller Völker.
Wir gedenken der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen,
die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als
Vertriebene und Geflüchtete, ihr Leben verloren.
Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem
anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden, Teil
einer Minderheit waren oder deren Leben wegen einer Krankheit oder
Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurden.
Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen
Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an
ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten.
Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die
Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die
Bundeswehrsoldaten und andere Einsatzkräfte, die im Einsatz ihr Leben
verloren.
Wir gedenken aber auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt,
Terrorismus, Extremismus, Antisemitismus und Rassismus Opfer unseres
Landes geworden sind.
Nicht vergessen dürfen wir in unserem Gedenken diejenigen, die Leid um
die Toten tragen und teilen ihren Schmerz.
Schließen möchte ich mit dem Appell, dass wir uns alle gemeinsam dafür
einsetzen, aus unserer Vergangenheit zu lernen und die Zukunft
demokratisch, weltoffen, tolerant und gegen Krieg, Fremden- und
Rassenfeindlichkeit zu gestalten. Diese Verantwortung haben wir für den
Frieden unter den Menschen zu Hause und in der ganzen Welt.
Lasst uns nun in Gedenken, aber auch in Hoffnung, einen Kranz
niederlegen.



